Traduction DeepL:
Weshalb die Strategie des Gemeinderates Schiffbruch erleiden musste – und wie mit Zahlenakrobatik die Bevölkerung erneut hinters Licht geführt wird.
Die Chronologie eines Desasters
Wir schreiben das Jahr 2014. Für die Stadt Freiburg sollte endlich ein neuer Richtplan ausgearbeitet werden. Der wichtigste Parameter jedes Richtplans ist eine möglichst präzise Voraussage über die künftige Bevölkerungsentwicklung.
Im Herbst 2014 informierte der Gemeinderat im Dokument „Visions et objectifs 2014-2030“ aufgrund der statistischen Vorhersagen des Bundesamtes für Statistik (BfS) sei für die Stadt Freiburg bis 2030 mit 11‘000 neuen Einwohnern und 10‘000 zusätzlichen Arbeitsplätzen zu rechnen. (S. 5)
Das war schlicht gelogen, das Bundesamt für Statistik (BfS) hat nie eine solche Bevölkerungsprognose für die Stadt Freiburg publiziert. Die Stadt berief sich bei diesen angeblichen „Bevölkerungsprognosen“ auf das Zweite Aggloprogramm (AP2), dieses wurde in den Jahren 2010 bis 2011 erarbeitet. Im Agglo-Vorstand sass damals unter anderem der heutige Syndic der Stadt Freiburg, Thierry Steiert. Als Grundlage für ihre „Berechnungen“ lagen der Agglo die 2010 publizierten Szenarien des BfS für den Kanton für den Zeitraum bis 2030 vor. Das Mittlere Szenario sah eine durchschnittliche jährliche Zuwachsrate von 0.87% für den Kanton vor. Die von der Agglo angepeilten Zuwachsraten für die Agglomeration resultierten jedoch nicht aus einer statistischen Projektion, sondern waren politisch motiviert: Die Agglo wollte nämlich mehr vom starken kantonalen Wachstum für sich und insbesondere in die Kantonshauptstadt umleiten. Dies diametral entgegen der bisherigen Bevölkerungsentwicklung: Die Zuwachsraten lagen in der Agglo nämlich stets tiefer als im Kanton als Ganzen und in der Stadt Freiburg waren sie sogar nochmals tiefer als in der Agglo. De facto lag die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate in den Jahren 2000 bis 2010
- im Kanton bei 1.65%,
- in der Agglo bei 1.21%
- in der Stadt Freiburg bei lediglich 0.75%.
Gemäss Richtplanprojekt sollte die Zuwachsrate für die Stadt Freiburg ab 2014 für die nächsten 15 Jahre nun plötzlich satte 1.71% betragen! Von Massnahmen, die zu einem solch massiven Ansturm auf die Kantonshauptstadt hätten führen sollen, wurde nie etwas bekannt. Dass die vom Agglo-Vorstand herbeigesehnte Bevölkerungsentwicklung nicht auf einer Prognose des BfS beruhte, sondern politisch motiviert war, ist im AP3 auf S. 18 übrigens schwarz auf weiss zu lesen: „Les objectifs du PA2 en termes de nombre d’habitants et d’emplois à l’horizon 2030 étaient basés sur une analyse quantitative, teintée de choix et réajustements d’ordre politique.“
Nachdem die Stadt Freiburg das Richtplanprojekt im Herbst 2014 erstmals publiziert hatte, haben Ende Dezember 2014 diverse Akteure den Gemeinderat darauf hingewiesen, dass die wichtigste Grundlage für den Richtplan, die Bevölkerungsprognose, völlig unrealistisch sei.
Im Jahr 2015 hat das Bundesamt für Statistik seine Wachstumsprognosen nach oben korrigiert: Für den Kanton Freiburg wurde die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate für den Zeitraum bis 2030 auf 1.49% angehoben (Mittleres Szenario).
Während dem sich also im Kanton die Bevölkerungszahlen noch rasanter entwickelten, als vorgesehen, fand in der Stadt Freiburg das Gegenteil statt: Ab 2015 knickte das Wachstum ein und ein Jahr später setzte sogar eine leichte Abwanderung ein. Im Jahr 2018, als das PAL-Projekt erstmals aufgelegt wurde, zählte die Stadt bereits weniger EinwohnerInnen, als noch 2014. Dennoch wurde an den Informationsanlässen und in den offiziellen Dokumenten zum PAL unbeirrt verkündet, man müsse zwingend stark verdichten, weil die Bevölkerung – gemäss dem Bundesamt für Statistik –rasant zunehmen würde. Man wurde den Eindruck nicht los, als würde der Gemeinderat den auf dem Papier erwünschten Phantasieszenarien mehr Faktizität beimessen, als den monatlich publizierten Bevölkerungszahlen, die nur noch in eine Richtung zeigten: Nach unten. Prompt hagelte es mehr als 200 Einsprachen und das Richtplan-Projekt lag in der Folge praktisch 6 Jahre auf Eis.
Die peinliche Bewältigung des Schiffbruchs
Gemeinderätin Andrea Burgener hat an der Pressekonferenz vom 16. September 2020 nun endlich die Fakten auf den Tisch gelegt, was den Bevölkerungsrückgang in der Stadt Freiburg betrifft. Syndic Thierry Steiert hingegen sprach noch immer von einem „kleineren Wachstum, als erwartet“, obwohl es gar kein Wachstum mehr gibt (vgl. La Liberté vom 22.7.2020). Zu schwer verdaulich ist für ihn offenbar die Tatsache, dass seit seinem Amtsantritt als Syndic mehr Menschen dieser Stadt den Rücken kehren, als künftig in dieser wohnen möchten.
Dass die La Liberté einen Leserbrief zensuriert hat, der diese offensichtliche Fehlinformation von Syndic Steiert hat richtigstellen wollen, ist die passende Anekdote dazu und bedenklich für eine Tageszeitung, die sich selber gerne als unabhängig darzustellen versucht.
Was sich dann die Gemeindebehörden jedoch leisteten, um der Öffentlichkeit aufzuzeigen, dass sie am ganzen Debakel keine Schuld trifft, verdient einer genaueren Betrachtung:
- Auf Seite 10 der Präsentation ist zu lesen, dass die Analyse, wonach das angestrebte Bevölkerungswachstum für die Stadt verfehlt würde, vom Bundesamt für Statistik bestätigt würde. Erneut wird das BfS bemüht, obwohl dieses für die Stadt keine Aussagen gemacht hat. Das BfS hat im Sommer 2020 seine Wachstumsprognosen für den Kanton tatsächlich nach unten korrigiert: Statt 1.49% mittlere jährliche Zuwachsrate noch 0.84% bis 2035. Wenn man diese Reduktion um 0.65 Prozentpunkte 1:1 auf die Stadt überträgt (was man jedoch nicht tun sollte), verliert die Stadt künftig jährlich weitere rund 250 EinwohnerInnen.
- Auf Seite 10 wird die Bevölkerungsentwicklung der Stadt seit 1990 präsentiert, die Kurve endet jedoch 2018, obwohl die Zahlen bis Ende Juli 2020 online verfügbar sind.
Dieser gekappte Betrachtungszeitraum ermöglicht es in der Folge, dass per Saldo zwischen 2014 und 2018 noch ein Miniwachstum von 77 Personen verbleibt (S. 11). Bezieht man die aktuellen Zahlen bis Ende September 2020 mit ein, resultiert ein Bevölkerungsschwund (ebenfalls im Vergleich zu 2014) von 646 Personen…
- Obwohl die Bevölkerung bereits 2015 stagnierte und dann zurückging, hielt die Stadt im Jahr 2018 (als der PAL erstmals aufgelegt wurde) noch immer an ihren unrealistischen Wachstumsphantasien fest. Spätestens 2018 hätte man das dem PAL zugrunde gelegte Bevölkerungsszenario überdenken sollen.
Und wenn nun (auf S.11 der Präsentation) vorgebracht wird, die BfS-Prognosen von 2020 hätten sich gegenüber jenen von 2015 markant verändert, trifft das zwar zu. Doch die Stadt hat sich stets auf die von der Agglo produzierten Zielvorgaben gestützt, und diese Zahlen wurden 2010/2011 erarbeitet, also noch bevor jenes BfS-Szenario überhaupt bekannt war, auf das man nun angibt, sich bezogen zu haben…
- Auf der Grafik auf S. 12 der Präsentation leistet sich die Stadt einen bedenklichen methodologischen Fehler: Die realisierte Wachstumskurve der Stadt (hellblau) wird mit einer prognostizierten Wachstumskurve für den Kanton (rot) weitergeführt:
Weshalb darf man dies nicht tun?
Die jährlichen Zuwachsraten betrugen in den letzten 10 Jahren
- für den Kanton: 1.65%
- für die Stadt: 0.90%
Oder anders ausgedrückt: Die Wachstumskurve der Stadt verlief in den letzten 20 Jahren immer flacher als jene des Kantons. Es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass sich das nun auf einen Schlag ändern sollte, wie mit der Grafik suggeriert wird. Damit sich dies ändern könnte, müsste die Stadt attraktiver als die umliegenden Gemeinden sein. Dass dies offensichtlich nicht der Fall ist, widerspiegelt sich in der sinkenden Bevölkerungszahl.
Über diesen methodologischen Fehler hinaus müsste der Gemeinderat eine Begründung liefern, weshalb nun plötzlich eine Trendwende – von der aktuellen Abwanderung zu einem starken Wachstum – eintreten soll, und insbesondere mit welchen Massnahmen ein erneutes Wachstum erreicht werden könnte.
Fazit: Was der Agglo-Vorstand 2010/2011 im AP2 publiziert hat, war keine demografische Prognose, es war ein vornehmlich politisch motiviertes Wachstumsziel für die Agglo. Wer die 2014 im PAL-Projekt aufgetauchte und dann trotz bereits sinkender Zahlen im Jahr 2018 nicht mehr hinterfragte Prognose von 11‘000 neuen BewohnerInnen für die Stadt zu verantworten hat, ist bis heute ungeklärt. Sicher ist, dass die Behauptung, diese Zahlen kämen vom Bundesamt für Statistik, nicht wahr ist. Der Gemeinderat hat durch diese Fehlleistung und danach sein stures Festhalten trotz sinkender Bevölkerungszahlen sechs weitere Jahre in einem Prozess verspielt, bei dem man schon von Beginn weg rund zehn Jahre im Rückstand lag. Heute liegt nun ein weiteres PAL-Projekt auf und der Öffentlichkeit werden erneut Wachstumsprognosen vorgegaukelt, die jedem seriösen Statistiker die Haare zu Berge stehen lassen müssen.
Dass gemäss revidiertem PAL-Projekt nun wesentlich weniger stark verdichtet werden soll, ist ohne Zweifel die richtige Konsequenz aus diesem Debakel. Eine andere wäre, dass die lokalen Medien endlich aufdecken würden, wer die Verantwortung für diese Fehlleistung trägt. Dass unsere beiden Lokalzeitungen, deren Aufgabe es wäre, solche Fehlleistungen zu thematisieren, dies bis heute nicht getan haben, wirft ein schlechtes Licht auf diese und dürfte den Gemeinderat darin bestärken, auch in anderen Dossiers mit Fehlinformationen die eigenen Misserfolge zu vertuschen.
Christoph Schütz
www.unikator.org