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Feminismus in Freiburg


Seit 1991 streiken Frauen* am 14. Juni um auf den Wert von Frauen*arbeit aufmerksam zu machen. Als Arbeiter*innen einer Uhrenfabrik sich darüber empörten, dass ihre männlichen Mitarbeiter für die gleiche Arbeit mehr Lohn erhielten, wurde die Idee des Feministischen Streiks geboren. Die Frauen* fehlten an verschiedensten Arbeitsplätzen, denn «wenn frau will, steht alles still.» Die Lohnungleichheit beschäftigte die Frauen* 1991 und beschäftigt uns auch heute, denn seit 2014 ist sie wieder angestiegen.

Der niedrigere Lohn ist ein Symptom einer Gesellschaft, die die Arbeit von Frauen* weniger schätzt, als diejenige von Männern. Es ist ein Symptom einer Gesellschaft in der Frauen* schweigen sollen, weil sie ja jetzt bitteschön seit fünfzig Jahren das Stimm- und Wahlrecht haben. Dass das Gleichstellungsgesetz erst 1981 in die Verfassung aufgenommen wurde, scheint hierbei niemanden zu interessieren. Oder dass Frauen* bis 1988 bei der Heirat mit einem nicht-Schweizer ihre Staatsbürgerschaft verloren. Und dass sie bis zu diesem Jahr auch die Erlaubnis ihres Ehemannes brauchten, um eine Arbeitsstelle anzutreten. Schon 1907 Clara Zetkin voraus, dass das Frauenstimmrecht die Diskriminierung nicht beenden würde, sondern nur ein Werkzeug gegen die Ausbeutung und Unterdrückung darstellt.

In Freiburg begann die Frauenbewegung am 17. November 1977 als zweihundert Frauen*sich zu einer Demonstration zusammenfanden. Die Stadtregierung hatte dem Gynäkologen Dr. Kaufmann verboten eine Praxis zu eröffnen, weil er sich offen für hormonelle Verhütungsmethoden aussprach. Diese Einstellung wirkte besonders kontrovers, weil im Kanton Freiburg die meisten Ärzt*innen der Union des médecins catholiques angehörten und als Verhütung erst seit 1975 Temperaturmethoden empfahlen. Während in Lausanne bereits zu Beginn der Sechziger Informationen über Verhütung öffentlich zugänglich gemacht wurden, kämpfte Freiburg noch siebzehn Jahre später gegen diese Praxis an. Eine Woche nach der Demonstration vom 17. November, versammelte sich eine Gruppe zu einer Gegendemonstration. Sie baten Jesus um Vergebung für die Sünden dieser Freiburger Frauen*.

1977 marschierten Frauen* durch die Strassen, denen das Recht abgesprochen wurde, über ihren eigenen Körper und ihre Sexualität zu bestimmen. Erst ab den 1980er Jahren erhielten viele von ihnen in Freiburg freien Zugang zu hormoneller Verhütung. Dabei will ich hormonelle Verhütung nicht unnötig loben, denn sie birgt Risiken für die Gesundheit und auferlegt der weiblichen Person die Bürde der Verantwortung für Verhütung. Trotzdem zeigt dieser Widerstand gegen die Verhütung, dass es in der breiten Bevölkerung an Wertschätzung mangelte: Wertschätzung für die Frau*, ihren Körper und ihre Selbstbestimmung. Ja, dass diese Selbstbestimmung von manchen sogar als «Sünde» angesehen wurde.

Die ungleiche Behandlung von Frauen* und Männern endete nicht 1971, 1981 oder 1988. Sie endete nicht einmal 1991 mit dem ersten Feministischen Streik, dem grössten Streik seit dem Landesstreik 1918. Die Forderungen des heutigen Streiks erinnern schmerzlich an seine Anfänge. Noch immer fordern wir Respekt für bezahlte und unbezahlte Arbeit von Frauen*. Wertschätzung drückt sich im kapitalistischen System durch Lohn und Arbeitsbedingungen aus. Diese müssen dringend verbessert werden! Gerade die Care-Arbeit die Frauen* in Krankenhäusern, Altersheimen, Zuhause, etc. verrichten, muss mehr Wertschätzung erfahren. Arbeitgebende, die sich nicht an das Gleichstellungsgesetz halten, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Armut im Alter betrifft vorwiegend Frauen* und auch der stark eingeschränkte Zugang zu Kinderbetreuung bedeutet für Frauen* eine Belastung.

Der Feministische Streik feiert seinen dreissigsten Geburtstag. Aber wie Andrée Valentin 1968 im Schauspielhaus Zürich rief und dabei die Jubiläumsfeier eines Vereins für das Frauenstimmrecht störte: «Nicht jubilieren – protestieren!» Es gibt vieles, worüber wir uns empören müssen und gegen das es sich zu protestieren lohnt. Frau*sein in Freiburg kann vieles bedeuten. Aber egal, was wir Frauen* sein mögen: stumm sind wir nicht.

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